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Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag - Erwartungen,
Erfahrungen, Perspektiven
Zusammenfassung
(1) Nach schwierigem Start im Jahre 1990, nicht zuletzt
bedingt durch die problematische Vorgeschichte der
TA-Institutionalisierung im deutschen Parlament, ist die Entwicklung
des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen
Bundestag (TAB) durchaus günstig verlaufen. Die bisherige
Entwicklung ist gekennzeichnet durch Lern- und Gewöhnungsprozesse
auf seiten der Wissenschaftler wie der Abgeordneten, durch daraus
resultierende Anpassungen von Arbeitsabläufen an die
parlamentarischen Bedingungen, durch zunehmende parlamentarische
Nutzung der Arbeitsergebnisse des TAB, durch eine ständig
steigende Zahl von Themenvorschlägen aus anderen Ausschüssen
als dem "Steuerungsorgan" des TAB, dem Ausschuß für
Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und
Technikfolgenabschätzung.
Dennoch wird, wenn in Kürze darüber zu
entscheiden ist, welche externe wissenschaftliche Einrichtung das TAB
ab September 1998 betreiben soll (der Vertrag mit dem
Forschungszentrum Karlsruhe läuft im August 1998 aus), mit
Sicherheit auch wieder die Frage aufgeworfen werden, ob der Bundestag
diese Einrichtung überhaupt benötigt. Daß 1993 die
Überführung der im Modellversuch aufgebauten
TA-Kapazität in eine ständige Einrichtung des Deutschen Bundestages
einstimmig beschlossen worden war, bedeutet keineswegs,
daß die Grundsatzfrage nach dem parlamentarischen Bedarf für eine
solche Einrichtung nicht bei geeigneten Gelegenheiten wieder
gestellt wird. Die zu fällende Auswahlentscheidung über den
externen Betreiber des TAB ist eine solche Gelegenheit.
In einer Zeit geringer wirtschaftlicher Dynamik,
zunehmender finanzieller Engpässe in den staatlichen Haushalten
und sich verschärfender Kritik an allem, was zu Recht oder
zu Unrecht verdächtigt wird, der Verbesserung des
"Innovationsklimas" im Wege zu stehen, besteht Anlaß,
die Aussichten für die Fortführung der TA-Einheit des
Deutschen Bundestages über 1998 hinaus mit einiger Skepsis
einzuschätzen. Dies umso mehr, als die Zahl der Abgeordneten, die sich mit
dem Konzept des Technology Assessment, wie es vom TAB vertreten wird,
auseinandersetzen und die Arbeit des TAB aus Überzeugung
unterstützen, also der "Kern von Interessenten und
Advokaten für TA und das TAB", immer noch relativ klein ist.
(2) Im Verständnis des TAB ist "Technology
Assessment" nicht lediglich ein Instrument der Frühwarnung
vor negativen Technikfolgen (Risiken), sondern ein Konzept, welches
das Ausloten der mit neuen wissenschaftlich-technischen
Entwicklungen verbundenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und
ökologischen Chancen, die Analyse von Faktoren, die die Realisierung
wissenschaftlich-technischer Entwicklungen fördern oder
behindern können, und die Entwicklung und Überprüfung von
Handlungs- und Gestaltungsoptionen in den Mittelpunkt rückt und damit ein
zukunftsorientiertes Instrument der Gestaltung von
Innovationsprozessen darstellt. Alle Projekte des TAB reflektieren
dieses "konstruktive" Verständnis von TA. Für die
zukünftige Akzeptanz des Technology Assessment im Deutschen
Bundestag und damit die Fortführung des TAB wird es von
entscheidender Bedeutung sein, ob es gelingt, mehr Abgeordnete als
bisher von der Bedeutung solcher Untersuchungen für die
Unterstützung von Innovationsprozessen zu überzeugen. Bei
vielen Abgeordneten hat TA immer noch das negativ besetzte Image der
ausschließlichen "Risikobetrachtung".
(3) Die gewählte Organisationsform entsprechend dem
von der Regierungsmehrheit 1989 vorgeschlagenen Modell
(Forschungsausschuß als politisches Steuerungsorgan; kleine
TA-durchführende Einheit, die im Auftrag des Deutschen
Bundestages von einer externen wissenschaftlichen Einrichtung
betrieben wird) hat sich in der Praxis bewährt. Sie sollte nicht
geändert werden, jedenfalls nicht in ihrer Grundstruktur. Die
lange Debatte über die parlamentarische Institutionalisierung
hat deutlich gemacht, daß andere Modelle der
Technikfolgenabschätzung beim deutschen Parlament an der
politischen Wirklichkeit vorbeigehen.
(4) Die parlamentarische Nutzung der Arbeitsergebnisse
des TAB muß weiter verbessert werden. Hierfür wird vor
allem entscheidend sein, ob es in Zukunft gelingen wird, die
Kommunikations- und Interaktionsprozesse zwischen den Abgeordenten
und dem TAB beträchtlich zu verstärken.
Der Einfluß der EU-Integration auf die
Mitgliedsländer nimmt ständig zu. Dies gilt in hohem Maße
auch für die Arbeit der Parlamente. Naturgemäß spielt
die "europäische Dimension" in praktisch allen
TAB-Projekten eine bedeutende Rolle. Dennoch dominieren die
nationalen Interessen, Besonderheiten und Prioritäten nach wie
vor die Themenwahl und die inhaltliche Ausgestaltung der
Untersuchungskonzepte. Dies gilt auch für die parlamentarischen
TA-Einrichtungen in anderen EU-Ländern. Auch die präferierten
methodischen Ansätze differieren zum Teil sehr stark zwischen
diesen Einrichtungen. Es gibt wenig Anlaß zu der Vermutung, daß
nationale parlamentarische TA-Institutionen durch Einrichtungen auf
EU-Ebene in absehbarer Zeit abgelöst werden könnten.
Die parlamentarischen TA-Einrichtungen in den
EU-Ländern haben sich zu einem lockeren Netzwerk, dem
EPTA-Netzwerk, zusammengeschlossen. Der Schwerpunkt der
EPTA-Aktivitäten liegt auf dem "Informationsaustausch"
(Newsletter, gemeinsame Veranstaltungen). Das bisherige Scheitern von
Versuchen, gemeinsame TA-Projekte durchzuführen, hat auch in
diesem Zusammenhang die bestehende Dominanz nationaler Interessen und
Prioritäten deutlich werden lassen, obwohl die wachsende
Notwendigkeit "europäischer" TA-Projekte völlig
unbestritten ist.
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