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Technikfolgen Risikoanalyse
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Technikfolgenabschätzung auf dem Prüfstand - Erfahrungen aus Baden-Württemberg

Zusammenfassung

Mit dem zunehmenden Einfluss der Technik auf das Alltagsleben und der wachsenden Selbstverpflichtung der Gesellschaft zu einem umfassenden Risikomanagement wächst zugleich die Forderung nach einer Institutionalisierung der Folgenabschätzung von Technik und nach antizipativer Technikgestaltung auf der Basis systematischer Technikfolgenforschung durch unabhängige Gutachter. Denn die Zunahme der Risiken zulasten der Gefahren bedingt eine immer geringere Bereitschaft, negative Folgen menschlichen Handelns als unabdingbare Begleiterscheinung des technischen Wandels hinzunehmen. Wer Technik in die Welt setzt, muss sich der Folgen bewusst sein und entsprechende Vorkehrungen gegen unerwünschte Nebenfolgen treffen. Da dies die Technikbenutzer aus eigenem Interesse nicht ausreichend tun oder tun können, müssen neue Institutionen geschaffen werden, die Technikfolgenabschätzung aus unabhängiger Sicht zum Programm erheben.

In diesem Kontext wurde 1992 die Akademie für Technikfolgenabschätzung als Stiftung des öffentlichen Rechts gegründet. Die Konzeption der Akademie war Resultat des Wunsches von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und gesellschaftlichen Gruppen, ein Forum für die Technikfolgenabschätzung im Land Baden-Württemberg und eine Plattform für den öffentlichen Diskurs über Chancen und Risiken von Technik zu institutionalisieren. Nach der Satzung hat die Akademie die Aufgabe, Technikfolgen zu erforschen, diese Folgen zu bewerten und den gesellschaftlichen Diskurs Über Technikfolgenabschätzung zu initiieren und zu koordinieren.

In der Diskussion um Technikfolgenabschätzung ist es Üblich, zwischen der Technikfolgenforschung und der Technikfolgenbewertung zu trennen. Im ersten Fall geht es um die wissenschaftliche Abschätzung der möglichen Folgepotentiale, im zweiten Falle um die nach den Präferenzen der Betroffenen ausgerichtete Bewertung dieser Folgen. Aufgrund der unvermeidbaren Ambivalenz und Ungewissheit von künftigen Ereignissen werden die Ergebnisse in beiden Aufgabenfeldern jedoch nur unscharf bleiben können und sich auch nur bedingt voneinander trennen lassen. Die wissenschaftlichen Prognosen über Folgepotentiale sind ohne Zweifel wichtige Bestandteile von professionellen Technikfolgenabschätzungen und zugleich unverzichtbare Elemente des Bestrebens, gegenwärtige Entscheidungen von Politik und Wirtschaft auf eine rationale Basis zu stellen. Sie dürfen aber nicht die Sicherheit vortÖuschen, die Wissenschaft sei in der Lage, alle gefährlichen Ereignisse und Entwicklungen vorherzusagen und durch präventives Handeln auszuschliessen.

Vor diesem Hintergrund kommt der Technikbewertung eine wichtige Aufgabe zu: Wenn negative Auswirkungen nicht ausgeschlossen sind und diese auch in unterschiedlichem Masse auf Mensch, Gesellschaft und Umwelt einwirken, dann müssen Verfahren gefunden werden, die ein Urteil über die Zumutbarkeit von Risiken bei der Suche nach neuen Chancen und Möglichkeiten technischen Wandels erlauben. Entscheidungen Über die Zumutbarkeit von Risiken beruhen letztendlich immer auf einer subjektiven Abwägung von erwünschten und unerwünschten Folgen. Erst die diskursive Auseinandersetzung mit diesen beiden Elementen ermöglicht eine sachgerechte und den Interessen und Werten der Betroffenen angemessene Bewertung der mit dem Technikeinsatz verbundenen Folgen.

Zur Zeit lassen sich in unserer Gesellschaft drei Arten von Technikdiskursen identifizieren. Der erste baut auf dem Mechanismus der Angst-Kommunikation auf. Hier lauern am düsteren Horizont der als bedrohlich wahrgenommenen Technikfolgen Zusammenbrüche, Rückschläge und Katastrophen. Ein solcher Diskurs lähmt die Beteiligten und verengt die mit Wissen und Ethik verbundenen Handlungsräume. Dem Angst-Diskurs entgegengesetzt ist ein von Optimismus beseelter Diskurs, der die verbleibenden Gefahren als Phantome abtut und die möglichen Nutzanwendungen als bisher ungenutzte Chancen begreift. Dieser als Chancen-Kommunikation zu begreifende Diskurs verfällt dem umgekehrten Extrem: objektive Grenzen der Handlungsmöglichkeiten werden Übersehen und alle Risiken und Ambivalenzen als Herausforderungen umgedeutet.

Beide genannten Diskursformen werden den komplexen Problemen der Technikbewertung nicht gerecht. Sinnvoll und erfolgversprechend erscheinen aus Sicht der Akademie für Technikfolgenabschätzung Gestaltungsdiskurse, in denen aus der Kenntnis der immanenten Grenzen und der Wahrnehmung von möglichen Chancen gedankliche Kreativität frei werden kann. Solche Gestaltungsdiskurse können dann die Probleme, aber auch die Chancen zukünftiger Technikentwicklungen und deren Risiken angemessen verarbeiten und die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft befähigen, mit der Ambivalenz und Ungewissheit von Folgen technischen Handelns angemessen und weise umzugehen.

Seit ihrer Gründung widmet sich die Akademie für Technikfolgenabschätzung auch der Aufgabe, Gestaltungs-Diskurse zu entwickeln und zu erproben. Bei der Themenauswahl, aber vor allem bei der Hilfestellung zur Abwägung von Technikfolgen arbeitet die Akademie eng mit den betroffenen Gruppen zusammen. Sie leistet den Gruppen Orientierungshilfe, damit sie bei ihren Entscheidungen die Folgepotentiale mit bedenken und eine rationale Abwägung zwischen verschiedenen Optionen treffen können. So werden die betroffenen Gruppen aus Wirtschaft, Politik und Sozialleben durch Wissen und Verfahrensvorschläge besser in die Lage versetzt, eigenverantwortlich und im Einklang mit Fakten und sozialen Präferenzen Entscheidungen zu treffen.

In zahlreichen Projekten, die sich inhaltlich mit Fragen der Abfallplanung, der Chancen und Risiken der Gentechnik, einer klimaverträglichen Energieversorgung oder auch der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung beschäftigen, werden diskursive Instrumente im oben beschriebenen Sinne eingesetzt. Hierzu zählen beispielsweise die sogenannten Bürgerforen, das Mediationsverfahren, die Konsensuskonferenz und der kooperative Diskurs.

Im Rahmen des Vortrages werden anhand konkreter Projektbeispiele die Ergebnisse und Erfahrungen der Akademie bei der Durchführung solcher Verfahren vorgestellt und diskutiert sowie auch deren Möglichkeiten und Grenzen im politischen Alltag beleuchtet. Hierbei steht insbesondere das Anliegen im Zentrum, in Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit und Distanz zwischen Entscheidungsträgern und Entscheidungsbetroffenen, den Dialog über die Gestaltung der technischen Lebenswelt positiv zu unterstützen und zu einer innovativen und konstruktiven Streit- und Entscheidungskultur beizutragen.


© Copyright Zentrum BATS: Kontakt Legal Advisor: Advokatur Prudentia-Law Veröffentlichungsdatum: 1997-10-10

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