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Einfluss von Genetik und Genomik auf die  Medizin von heute: Chancen und Herausforderungen

Dorothee Foernzler, Hoffman-LaRoche AG, Basel

Die Veröffentlichung eines ersten Entwurfs der Sequenz des menschlichen Genoms im Frühjahr 2001 ist nicht nur ein bahnbrechendes Ereignis, das in die Annalen der Wissenschaft einziehen wird, sondern es ermöglicht auch neue Chancen und Herausforderungen für die Medizin. Ohne Frage wird die komplett entschlüsselte Sequenz des menschlichen Genoms dramatische Veränderungen nach sich ziehen, wie wir Krankheiten definieren, verhindern und behandeln. Die Kenntnis des menschlichen Genoms erlaubt, molekulare Ursachen und Mechanismen von Krankheiten und Arzneiwirkung aufzuklären und diese auch zur Diagnose und Prävention heranzuziehen, wie es bisher nicht möglich war. Dieses differerenzierte Wissen hofft man dann schrittweise in die Entwicklung von Medikamenten umsetzen zu koennen, die spezifischer auf einen Patienten zugeschnitten sind.

Welche Auswirkungen hat die Genetik auf die Medizin?

Vor allem auf dem Gebiet der Pharmakogenetik spielt sie bereits eine bedeutende Rolle bei der Erforschung individuell unterschiedlicher Wirksamkeit von Arzneimitteln sowie von Nebenwirkungen. Wir kennen beispielsweise genetische Varianten in vielen Genen des Medikamenten-Metabolismus, die die Wirksamkeit von Arzneimitteln beeinflussen und sich auf die Behandlung bestimmter Krankheiten auswirken. Aufgrund einer genetischen Diagnose lassen sich Therapien schon heute entsprechend adaptieren. Im Falle von Herceptin, einem Medikament gegen Brustkrebs, entscheidet schon heute differenzierte, molekulare Diagnostik einer Genvariante im Zielgen des Medikaments darüber, in welchen Patienten das Brustkrebs Medikament Herceptin wirksam sein wird. Dieses Beispiel verdeutlicht wie wichtig es ist, Diagnostika und Arzneimittel zur spezifischen Behandlung einer Krankheit zu integrieren, um einen optimalen Behandlungserfolg zu erzielen.

Die Zunahme der genetisch verfügbaren Information hat neue, aufregende Technolgien hervorgebracht, die unter anderem in der Entwicklung von Medikamenten neue Strategien ermöglichen: Die DNA-Chip-Technolgie erlaubt es, die Expression mehrerer tausend Gene gleichzeitig anzuschauen und miteinander zu vergleichen. Solche Genexpressionsprofile liefern wichtige Informationen beim Testen verschiedener Wirkstoffe für die Medikamentenentwicklung. Man hofft Genexpressionsmuster zu detektieren, die zum Beispiel Rückschlüsse auf die Toxizität eines Wirkstoffes zulassen (Pharmakogenomik). Genetische Epidemiologie hilft mit, Zielmoleküle eines Wirkstoffes zu validieren Durch frühzeitige Identifizierung von Gen-Varianten eines Medikamenten-Zielgens, die mit besonders guter oder schlechter Wirksamkeit des Wirkstoffes assoziert sind, sollen gute Wirkstoffe schneller selektiert und klinische Studien effizienter gemacht werden.

Langfristig setzt man grosse Hoffnungen in die Identifikation von Kandidatengenen, die in komplexen Krankheiten wie z.B. Krebs, Osteoporose oder Diabetes eine Rolle spielen. Der Einfluss genetischer Faktoren an diesen Krankheiten ist unbestritten, jedoch nicht der einzige: vielfältige Umweltfaktoren sind ebenfalls beteiligt: Komplexe Krankheiten sind multifaktoriell und werden durch Gen-Varianten und Umweltfaktoren zusammen verursacht - und nicht nur durch einen einzelnen Faktor. Die Genetik wird uns daher auch nicht alle Fragen zu diesen Krankheiten beantworten können. Kennen wir aber einmal bereits die genetischen Faktoren, die zu einer komplexen Krankheit führen, wird es hoffentlich auch möglich sein, die beteiligten Umweltfaktoren Schritt für Schritt aufzuklären.
Die Kenntnis des menschlichen Genoms und vor allem seiner zahlreichen Varianten ist notwendig, um Kandidatengene im Genom zu lokalisieren und zu identifizieren. Auf diese Weise wurden kürzlich neue Kandidatengene für "TypII-Diabetes" und "Morbus Crohn" identifiziert. Ob sich diese Kandidatengene als Zielgene für neue Medikamente eignen und/oder ob sich daraus Diagnostika entwickeln lassen, muss sich noch zeigen.

Gesellschaftlich-ethische Fragen

Die Erforschung des menschlichen Genoms und die damit verbundene Entwicklung neuer Technologien eröffnet zweifellos neue Wege zur Bekämpfung komplexer Krankheiten, die mit bisherigen Strategien nicht möglich gewesen sind. Doch sie birgt auch Gefahren, vor allem im gesellschaftlich-ethischen Bereich. Die weitverbreitete Besorgnis über den Missbrauch genetischer Information ist angebracht und muss ernst genommen werden. Vorurteilsfreie Aufklärung und Information der Allgemeinheit über Chancen und Risiken der Genetik/Genomik sind absolut notwendig. Im Dialog mit der Allgemeinheit muss ein gesellschaftlicher Konsens über die Verwendung aller medizinischer Daten erarbeitet werden, dem ein gesetzlicher Rahmen gegeben werden sollte. Dabei steht der Schutz des Patienten und seiner Daten an erster Stelle. Nur so wird es möglich sein, die Chancen sinnvoll und effizient zu nutzen, die uns die Genetik zur Diagnose, Prävention, Bekämpfung und Behandlung einer Vielzahl komplexer Krankheiten bietet und die Allgemeinheit von den Vorteilen zu überzeugen.


© Copyright Zentrum BATS: Kontakt Legal Advisor: Advokatur Prudentia-Law Veröffentlichungsdatum: 2001-09-14

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