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Stammzelltransplantation heute und morgen
Prof. Dr.med. Gilbert Thomas Thiel
Das Nationale Forschungsprogramm (NFP 46)
"Implantat, Transplantate"
Nationale Forschungsprogramme
werden vom Bundesrat in Auftrag gegeben zur Lösung wichtiger Gegenwartsprobleme.
Das geschah im Fall des NFP 46 im April 1998. Die Dauer der Forschungsarbeit
ist auf 5 Jahre beschränkt und die dafür zu Verfügung gestellten Mittel liegen
meist in der Grössenordnung von 15 Millionen SFR, wie auch im NFP45. Der Beginn
dieser 5 Jahre startet mit dem Zeitpunkt der ersten Bewilligung und Finanzierung
von Projekten, was im Juli 2000 der Fall war. Hauptmerkmale von Nationalen Forschungsprojekte
und des NFP 46 insbesondere sind:
- Fachübergreifende
Fragestellungen und interdisziplinäre Forschungsansätze; in NFP 46 sind die
die Gesellschafttswissenschaftlichen Fragestellungen (ethisch, juristisch,
historisch, organisatorisch), welche die biologische Forschung begleiten sollen.
Dies ist besonders wichtig in den nächsten Jahren, in welchen ein Schweizerisches
Transplantationsgesetz beschlossen und dann auch mit Ausführungsbestimmungen
ausgestattet werden soll.
- Die Umsetzung
der Forschungsresultate sind Teil des Programmauftrages. Daraus resultierte
im NFP 46 neu die Schaffung der Teilzeitstelle eines Umsetzungsbeauftragten,
der eine wichtige Funktion erfüllt, insbesondere bei der Verknüpfung der biologischen
Projekte mit denen der Geistes- und Sozialwissenschaft. Im NFP 46 wurde von
Anfang an beschlossen, dass Ethiker, Juristen etc. nicht jeder in seinem Glashaus
separiert von biologischer Forschung seine Theorien entwickeln soll, sondern
bereits in der Frühphase biologischer Forschung Ethiker und Juristen mit einbezogen
werden sollen. Ein Teil der bewilligten Projekte sorgt von vornherein für
diesen Brückenschlag, z.B. das Projekt des Basler Strafrechtsordinarius Prof.
K. Seelmann, der die Eigentum- und Rechtsfragen rund um das Problem " wem
gehören Nabelschnurblut-Stammzellen " abklärt.
Bereits der Titel
des NFP 46 verknüpft zwei Begriffen "Implantate, Transplantate" mit scheinbar
völlig getrennten Forschungsbereiche, Die auf den ersten Blick nicht zusammengehören.
Unter Implantaten versteht man herkömmlicherweise die Implantation lebloser
Materialien, die eine Funktion übernehmen (künstliches Hüftgelenk, Herzschrittmacher,
elektronische gesteuerte Apparatur, die Schmerzmittel an bestimmter kritischer
Stelle abgibt, einsetzbares künstliches Herz aus speziellem Material etc.).
Unter Transplantation versteht man hingegen die Einpflanzung von lebendem Material,
seien es Zellen (zelluläre Transplantation: z.B. die Insulin produzierenden
Zellen aus der Bauchspeicheldrüse oder haematogene Stammzellen), seien es solide
Organe (Nieren, Leber, Herz, Lunge, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm, neuerdings
ganze Vorderarme mit Händen) oder Gewebe (z.B. Augenhornhaut).
Die Leitungsgruppe
des NFP 46 hat von vornherein beschlossen, die zu fördernde Implantationsforschung
einzugrenzen auf sog. "Tissue and Organ engineering". Diese Forschung versucht
lebende Zellen zu entnehmen, die bereits gereift sind zu einer bestimmten Zellsorte
(Knorpelzellen, Schwannsche Nervenzellen, Zellen der Haut) und in vitro mit
Hilfe von leblosem, aber abbaubarem Brückengewebe zu züchten. Mit Hilfe genetischer
Manipulation dieser Zellen kann ihnen beigebracht werden, selber Wachstumsfaktoren
und andere nötige Milieufaktoren zu produzieren, damit ein funktionell brauchbares
Gewebe (z.B. einsetzbarer Knorpel, Haut) entsteht oder bei einem traumatisch
unterbrochenen Nerv mit grösserem Defekt die Ueberbrückung zu beiden Nervenenden
gelingt. Die dauerhafte feste Verbindung eines Implantates aus nicht lebendem
Material gelingt nämlich nicht, während dieses Ziel mit Tissue engineering,
bzw. lebendem Material erreicht werden kann.
Dadurch verschwindet
zwar die begriffliche Trennschärfe zwischen Implantat und Transplantat, die
Verknüpfung beider Forschungszweige zu einem nationalen Forschungsprogramm wird
hingegen sehr sinnvoll. Die genannte Verknüpfung gelingt aber nicht so einfach.
Tissue engineering ist wie die Stammzellforschung (vielleicht mit Ausnahme der
Haematologie) eine ganz junge Wissenschaft. Es gibt keine erfahrene Ordinarien
für Tissue engineering, denen man die zum Teil utopisch klingenden Projekte
junger Forscher zur Beurteilung zuschicken könnte. Die Experten sind selber
noch jung, wenig sesshaft und sehr spezialisiert. Wer z.B. eine Harnblase mit
tissue engineering bauen will, kennt niemanden der Knorpelgewebe züchtet oder
gar Nervengewebe überbrücken will. Das NFP46 übernimmt hier selber die Brückenfunktion
in zweifacher Weise: zwischen den biologischen Forschern selber und noch weiter
hinüber zu den Forschern der Geistes- und Sozialwissenschaft. Die Aufgabe ist
schwierig, aber reizvoll und nötig.
Was für Tissue
engineering gilt, kann ähnlich auch für die Stammzellforschung gesagt werden.
Die länger schon bekannte Forschung von pluripotenten haematogenen Stammzellen
hat durch die Nabelschnurblutstammzellen in den letzten Jahren eine neue Dimension
erhalten. Gefragt sind nicht mehr nur Zellen, welche die Blutbildung rekonstituieren,
sondern Stammzellen, aus denen Leberzellen, Herzmuskelzellen, Nervengewebe etc.
gebildet werden kann. Während Tissue engineering von bereits differenzierten
Zellen ausgeht, wird hier nach Wegen gesucht, um bereits etwas spezialisiertere
Stammzellen (z.b. cardiomyocyte commited stem cells) zu isolieren, zu vermehren
und weiter zu entwickeln, um daraus Gewebe herzustellen und dieses dann - ein
ganz schwieriger Teil- in das defekte Organ so zu implantieren, dass nicht nur
eine stabile Verbindung entsteht, sondern auch funktionell brauchbare Kontraktionen
resultieren, dass sich z.B. die Herzmuskelfasern in der gewollten Richtung kontrahieren
oder neu gebildete Nervenzellen der Retina an der richtigen (defekten) Stelle
anhaften und Funktion übernehmen. Ein interessantes Projekt, dass die Nutzung
von Nabelschnurblutstammzellen zur Behandlung genetischer Erkrankungen erforschen
will, ist in Vorbereitung. Das NFP 46 unterstützt 7 Projekte der Stammzell-Transplantation
und -Forschung.
Die zelluläre
Transplantation litt bisher am kurzen Überleben der transplantierten Zellen
(z.B. von humanen Pankreasinselzellen, die Insulin produzieren). Im NFP 46 wird
versucht die Mechanismen zu verstehen und zu überwinden, weshalb Inselzellen
selbst bei kapselgeschützter Implantation nicht lange überleben. Es geht aber
nicht nur um Insulinproduktion. Ein anderes Projekt verfolgt das ehrgeizige
Ziel, genetisch manipulierte menschliche Zellen zu transplantieren, welche Erythropoietin
herstellen. Rekombinantes Erythropoietin kann zwar seit über zehn Jahren blutarmen
Patienten wegen Nierenversagen erfolgreich (1-3 mal pro Woche) injiziert werden.
Die Transplantation Erythropoietin produzierender Zellen, selbst wenn diese
alle paar Jahre wiederholt werden müsste, wäre ein grosser Fortschritt.
Die Organtransplantation
hat seit Einführung von Cyclosporin grosse Fortschritte gemacht. Die Entwicklung
weiterer noch potenterer Immunsuppressiva ist nicht stehen geblieben. Parallel
damit steigt das Risiko für Infekte und Tumorbildung. Traum aller Transplantationskliniker
ist die spezifische Toleranzinduktion, d.h. die Akzeptanz eines Fremdorgans
bei sonst erhaltener nornaler Immunabwehr. Gesucht ist eine Toleranzinduktion,
die nur am Anfang Medikamente benötigt, bald nicht mehr. Da die Pharmaindustrie
an der Entwicklung einer medikamentfreien Transplantat-Toleranz nur beschränkt
interessiert sein kann, sieht das NFP 46 eine wichtige Aufgabe darin, solche
Forschung zu fördern. Inzwischen ist ein Projekt angenommen, ein weiteres, sehr
interessantes steckt noch im Entscheidungsprozess.
Der wachsende
Organmangel hat drei Hauptauswirkungen:
- die rasche
Zunahme der Lebendspende (Nieren, Knochenmark, Teil-Leber, Lungenlappen, Pankreassegment,
Dünndarmteil),
-
- die Suche nach
Wegen zu erfolgreicher und gefahrloser Xenotransplantation, und
- als Folge des
Mangels die Regelung der gerechten Organallokation.
Das NFP46 sieht
deshalb seine Aufgabe darin,
- Untersuchungen
zu fördern, welche die Sicherheit der Lebend-Organspender überprüft und nach
möglich Langzeitschäden sucht,
- Projekte der
Xenotransplantation zu fördern, was zum jetzigen Stand durch Finanzierung je
eines biologischen Projekts und ethischen Projektes (Zur Frage der Tierwürde)
erfolgt.
Dringend erforderlich
ist noch ein Projekt, welches die Frage der Tiervirus -Übertragung, besonders
der Schweine-Retroviren, wissenschaftlich bearbeitet.
Ein grosser Teil
der Mittel des NFP46 ist den Geistes- und Sozialwissenschaften gewidmet. Zwei
Projekte, welche die zahlreichen juristischen und ethischen Probleme im Zusammenhang
mit Implantation und Transplantation behandeln, sind bewilligt und konnten die
Arbeit aufnehmen. Ihre Bedeutung wird mit der kommenden Schaffung eines Schweizer
Transplantationsgesetzes und dessen Ausführungsbestimmungen hochaktuell werden.
Auch ein Projekt, das sich mit der Geschichte des Hirntodes und des Hirntodkonzepts
in der Schweiz auseinandersetzt, wurde bewilligt. Von zwei psychologische Arbeiten
widmet sich die eine der Früherkennung psychologischer Probleme bei Empfängern
verschiedener Organe (Lunge, Leber, Knochenmark, Niere) und die andere interessanterweise
einer Fragestellung, welcher in Europa noch niemand nachgegangen ist. Wie verhält
sich die Psychologie der Angehörigen von Hirntoten, welche die Organentnahme
abgelehnt haben.
Die nachfolgenden
Abbildungen geben die Verteilung der Forschungsgelder zum jetzigen Zeitpunkt
wieder. Von ursprünglich 75 eingegeben Projektskizzen, hat die Leitungsgruppe
28 ausgearbeitete Projekte mit positivem Antrag an den nationalen Forschungsrat
weitergeleitet. Dieser hat bisher aber erst 18 davon bewilligt. Der Anteil biologischer
und Geistes- und Sozialwissenschaftlicher Projekte hat sich vom Moment der Eingabe
bis zur Bewilligung wenig verändert.
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