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Rückblick und Ausblick auf die Biosicherheitsforschung in der Schweiz
Kurzüberblick über alle Referatsthemen
Biologische Sicherheitsforschung und Technikfolgenabschätzung sind
wesentliche Aspekte bei der Anwendung der Bio- und Gentechnologie. Im
Rahmen des Schwerpunktprogramms Biotechnologie des Schweizerischen Nationalfonds
(1992-2001) gab es eine Vielzahl von Projekten in diesem Forschungsbereich.
Die eigens dafür gegründete Fachstelle BATS (Basel) koordinierte
dieses Forschungsmodul. Die Tagung am 5. April 2002 im Hotel Alfa in Bern
hielt nicht nur eine Rückschau auf die Ergebnisse, sondern bot auch
eine Plattform, um den zukünftigen Bedarf an biotechnologischer Begleitforschung
zu diskutieren. Die Themen reichten von Sicherheitsaspekten beim Anbau
von gentechnisch veränderten Pflanzen bis hin zu Risiken bei der
Kompostierung von Bioabfall.
Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz
Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen haben im vergangenen
Jahr in der Schweiz für Schlagzeilen gesorgt. Die Auskreuzung von
Genen aus gentechnologisch veränderten Pflanzen beispielsweise in
verwandte Unkräuter wird immer wieder diskutiert. François
Felber von der Universität Neuenburg fragte daher: "Was haben
wir in der Schweiz schon lernen können?". Er berichtete von
Versuchen, bei denen das Risiko der Auskreuzung ausgewählter Nutzpflanzen
(z.B. Luzerne und Weizen) untersucht wurde. Es zeigte sich, dass die Ergebnisse
meist regionenspezifisch sind und nicht immer auf andere Gebiete übertragen
werden können. Die vorherige Risikoabschätzung mit nicht-gentechnisch
veränderten Pflanzen sei eine unbedingte Voraussetzung für den
Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in der Schweiz, unterstrich
Felber. Intensiv erforscht werden müssten zudem die Langzeitwirkungen,
die der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen für das
Ökosystem mit sich bringen könnte.
Auch Pia Malnoe (Station Fédérale de Recherches en Production
Végétale de Changins, Nyon) illustrierte mit den von ihr
vorgestellten Ergebnissen, wie wichtig die Begleitforschung beim Anbau
transgener Pflanzen ist. Sie berichtete über Biosicherheitsaspekte,
die bei transgenen virusresistenten Pflanzen Bedeutung haben können.
Sie wies darauf hin, dass der Anbau von Nutzpflanzen, die mittels Gentechnologie
eine Virusresistenz erhalten haben, zur Ausbildung neuer Viren führen
könne. Diese Viren könnten unter Umständen ein verändertes
Wirtsspektrum oder auch einen veränderten Ansteckungsgrad (Virulenz)
haben. Ergebnisse zu dieser Problematik lägen bereits vor und sollten
bei der Herstellung neuer transgener Sorten beachtet werden.
Neben Pflanzen, die auf gentechnischem Weg eine Virusresistenz erhalten
haben, gibt es auch Pflanzen, auf die eine Insektenresistenz übertragen
wurde. Von dem Einfluss gentechnisch veränderter Nutzpflanzen, die
ein Protein bilden, das dem Bacillus thuringiniensis (Bt) entstammt, berichtete
Franz Bigler von der FAL in Reckenholz. Er betrachtete die Wirkung der
Bt-Pflanzen auf Nützlinge. Auch hier wurde deutlich, dass ein Anbau
von transgenen Nutzpflanzen mit agrarökologischer Begleitforschung
erfolgen sollte. Die Forschergruppe hat ein Testschema zur Abschätzung
des Risikos entwickelt, das entsteht, wenn Nicht-Ziel-Organismen dem Toxin
ausgesetzt sind.
Mit einer Pflanzenkrankheit, die in der Schweiz den Obstbauern grosse
Probleme bereitet, beschäftigte sich Cesare Gessler von der ETH Zürich
in seinem Referat: Es ist der Feuerbrand bei Birn- und Apfelbäumen.
Er berichtete über Versuche zum Einsatz von Antagonisten des Feuerbrandes
zu Bekämpfung der Krankheit. Antagonisten sind Mikroorganismen, welche
die Besiedlung der Blüten die darauffolgende Infektion verhindern
können. Eingesetzt wurde das Bakterium B. subtilis, das einmal direkt
auf die Bäume gesprüht wurde und in einem anderen Versuch mit
Bienen als Boten zu den Obstblüten transportiert wurde. Die Ergebnisse
ebnen den Weg zu weiteren Untersuchungen zu dieser eleganten Bekämpfungsstrategie
gegen Feuerbrand.
Boden und Mikroorganismen
Kurt Hanselmann von der Universität Zürich informierte zu Fragen
der Biosicherheit aus mikrobiologischer Sicht. Seine Arbeitsgruppe befasst
sich unter anderem mit der Frage, wie Umweltbedingungen die Übertragung
genetischer Informationen zwischen Mikroorganismen beeinflussen. Betrachtet
wurde hierbei, ob ein sogenannter horizontaler Gentransfer auftritt. Darunter
versteht man die Übertragung von genetischer Information zwischen
zwei artverwandten oder nicht-verwandten Arten. Die Experimente zeigten,
dass horizontaler Gentransfer bei Bakterien auch unter natürlichen
Bedingungen ein häufiges Ereignis ist. Durch horizontalen Gentransfer
können auch Bakterien mit für die Umwelt negativen Eigenschaften
entstehen, die das Ökosystem stören können.
Mit Nachweismethoden für Bodenbakterien befassten sich Monika Maurhofer
(ETH Zürich) und Helmut Bürgmann (ETH Zürich) in ihren
Referat. Die bodenmikrobiologische Forschung habe sich in den letzten
zehn Jahren explosionsartig entwickelt, resümierten sie. Um freigesetzte
Bakterien in der Umwelt zu überwachen wurde eine Methode zum direkten
und spezifischen Nachweis der Zellen im Boden entwickelt. Es hätte
sich gezeigt, dass in den Boden eingeführte Bakterien fähig
sind, sehr lange zu überleben und auch bis ins Grundwasser zu gelangen.
Zukünftig stelle sich die Aufgabe, die verschiedenen Bakterienstämme
in nützliche Bakterien und für Mensch, Tier oder Pflanzen pathogene
Bakterien zu unterscheiden.
Für eine Weiterentwicklung der Methoden zum Nachweis von Mikroorganismen
sprach sich auch Joachim Frey (Universität Bern) nachdrücklich
aus. Seiner Einschätzung nach stellen Mikroorganismen, insbesondere
Parasiten, Bakterien, Pilz und Viren für Menschen, Tiere und Pflanzen
das weitaus grösste Risiko dar. Es müssten insbesondere neue
Ansätze gefunden werden, um das Gefahrenpotenzial abzuschätzen,
welches sich durch die Einwirkung neuer Entwicklungen (z.B. durch den
Anbau neuer Pflanzensorten) auf die mikrobielle Flora in der Umwelt ergibt.
Bioabfall
Trello Beffa von der Universität Neuenburg behandelte ebenfalls ein
Thema, das mit Mikroorganismen zusammenhängt, jedoch von einer ganz
anderen Warte aus gesehen. Sein Vortrag befasste sich mit Bioabfall, der
nach seinen Untersuchungen sowohl in Kompostanlagen als auch in Anaerobanlagen
ein Hygienerisiko darstellen können. Er wies darauf hin, dass sich
je nach Art der Abfälle unterschiedliche potenzielle Krankheitserreger
darin befinden können. Untersucht wurden von Beffa thermophile, das
heisst hitzeliebende, Bakterien, die in Komposthaufen zu finden sind.
Diese sind nicht krankheitserregend und können auch bei Temperaturen
zwischen 60 und 80 Grad leben und sich vermehren - im Gegensatz zu vielen
anderen pathogenen Bakterien. Thermophile Bakterien sind zudem sehr konkurrenzstark.
Es zeigte sich, dass die Technik der sogenannten Thermokompostierung zukunftsweisend
ist, da mit Hilfe dieser Bakterien der Abbau von Abfall beschleunigt wird
(Abbau in 8-12 Wochen) und dabei gleichzeitig die meisten für den
Menschen gefährlichen Pathogene abgetötet werden.
Medizin und Lebensmittel
Um die Biosicherheitsfragen, die direkt die menschliche Gesundheit betreffen
können, ging es in dem Referat von Jörg Schüpbach (Universität
Zürich). In seinem Labor wurde ein Test entwickelt, mit dem Retroviren
in biomedizinischen Produkten nachgewiesen werden können. Zu der
Familie der Retroviren gehören beispielsweise die Viren, die für
AIDS und für bestimmte Formen von Leukämie verantwortlich sind.
Bruno Oesch (Fa. Prionics) berichtete über Testsysteme zum Nachweis
von Prionenkrankheiten. In seinem Team wurde erfolgreich ein hochempfindlicher
und spezifischer BSE-Test entwickelt, der heute europaweit anerkannt und
im Einsatz ist.
Auch um die direkte Sicherheit der Gesundheit des Menschen ging es in
dem Beitrag von Leo Meile. Er zeigte Aspekte der Biosicherheit bei der
Lebensmittelproduktion auf. Ein wichtiger Punkt, zu dem erhöhter
Forschungsbedarf bestehe, sei beispielsweise die Verringerung von Antibiotika-resistenten
Bakterien in Lebensmitteln. Die erschreckenden Zahlen von mehrfach resistenten
Bakterien stellten eine neue Dimension dar, die förmlich nach neuen
Strategien rufe.
Ausblick
Der Programmleiter des SPP Biotech, Oreste Ghisalba, wies in seinem Referat
darauf hin, dass die Biosicherheitsforschung in der Schweiz selbstverständlich
auch nach dem offiziellen Abschluss des SPP Biotech weitergeführt
werden müsse - und zwar möglichst unter Aufrechterhaltung und
Ausbau des bereits bestehendes Forschungsnetzwerks. Die Begleitforschung
müsse fortschreiten von der eher risikolastigen Betrachtung hin zur
Identifizierung neuer Chancen und Vorteile, sagte Ghisalba. In diesem
Sinne äusserte sich auch Othmar Käppeli vom Zentrum BATS (Basel).
Die Erfahrungen zeigten, dass Auswirkungsforschung sich auf alle Anwendungsgebiete
der Biowissenschaften erstrecken sollte und dass sie über die einzelnen
Fachdisziplinen hinaus ökonomische, ökologische, soziale und
ethische Fragestellungen berücksichtigen müsse.
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